Schützenfest das Erste

Wenn sich der Winter im April endgültig verabschiedet hat, Ostern Vergangenheit ist, dann ja dann, wird es Zeit dem Höhepunkt des Jahres entgegen zu fiebern. Dem alljährlichen Schützenfest! Große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus. Wenn meine Tante auf den Knien liegend das Unkraut mittels eines alten Löffels aus den Pflastersteinen kratzt.
Wenn die Dorfstrasse professionell gereinigt wird, Fenster geputzt, Gardinen mit Backpulver blütenrein gewaschen, weiße Hemden gestärkt und kleine quengelnde Kinder bei älteren Verwandten abgegeben werden, dann ist es soweit. Freitagabend geht es los! Unser Nachbar im zivilen Leben Mauerer und Hobbygärtner, mutiert zu einem feschen Schützenhauptmann. Mit wippender Feder am grünen Hut, weißen Handschuhen und einer gewissen Autorität im Blick, befehligt er einen Trupp wackerer Schützenbrüder jeden Alters. Nur wenn er den Befehl dazu gibt bewegt sich die Kompanie nach links, rechts oder geradeaus. Vorneweg die Musikanten aus dem Nachbarort, die wie immer alles geben und keinen falschen Ton auslassen. Hintendran gleich Marketenderinnen, Ehefrauen nach der neusten Mode gekleidet. Statt Gummistiefeln auf Hochglanz polierte Pumps. Statt unförmigem Blaumann, das kleine Schwarze aus dem Versandhaus. Laut Programm ist der Freitagabend ein gemütliches Beisammensein mit "Tanz". Wer diesen gemütlichen Teil überlebt, am nächsten Morgen einigermaßen aus dem Vollrauschkoma kommt, wankt zur Schützenhalle, frühstückt erst mal ein paar Bierchen und wartet auf den Höhepunkt des Tages. Das Königsschießen! Nachdem der hölzerne Adler bei einem leicht schwankenden Umzug, der ehrfürchtig staunenden Dorfbevölkerung gezeigt wurde, wird er in luftige Höhe gezogen und gnadenlos mit Schrot voll gepumpt. Unter ohrenbetäubendem Jubel gibt der amtierende König den ersten Schuss a. Vorsorglich ohne Munition. Man will dem armen Mann die Prozedur kein zweites Mal aufs Augedrücken. Dann schießt der Pastor. Auch nicht scharf. Ihm würde die Königin jenes schmückende Beiwerk fehlen. Dann wird es für eine lange Zeit still. Im Verborgenen aber werden hitzige Debatten geführt. Namen werden genannt und gleich wieder verworfen. Vor allem aber, wird reichlich Bier konsumiert. Dem einen wird heimlich der eine oder andere Korn ins Bierchen gekippt, um Zweifler ( "Das kostet doch ein Schweinegeld") von der Richtigkeit seiner Absicht zu überzeugen. Andere, die nicht als würdig erachtet werden sperrt man kurzerhand aufs Klo. Jetzt wird mit Schrot geschossen und peng, man hat gerade mal wieder nicht hingeschaut segelt der Vogel oder was von ihm übrig ist von der Stange. Tusch!! Der neue König wird auf die Schultern seiner Offiziere gestemmt, in die Halle getragen und auf die Theke gestellt. Wer jetzt zügig trinken kann hat Glück. Es gibt Freibier. Daran lässt sich immer ablesen wie gut oder weniger gut die neue Majestät bei Kasse ist. Ist nach dem 10. Bier schon Schluss, hat man den falschen besoffen gemacht. Nun wird bis zum frühen Nachmittag fröhlich gebechert. Als Unterlage für Bier und Korn kann man schnell mal ein Schnitzelchen zu sich nehmen und es genauso schnell wieder von sich geben.
Zum krönenden Abschluss wird die Kette überreicht. Der neue König steht dann immer ein bisschen hoheitsvoll gebeugt. Wahrscheinlich liegt es an der schweren Kette, der Bürde des Amtes oder am Drehschwindel nach dem 20. Bier.
Während alle anderen versuchen ein Nickerchen zur Ausnüchterung zu machen, beginnt für die Königin der Stress. Sie muss ein Kleid haben, das dass ihrer Vorgängerin um Längen übertrifft. Ungeachtet der Figur muss die Korsage noch enger, der Reifrock noch üppiger /zuweilen wird damit der Gang zur Toilette schlicht unmöglich) und die Schuhe noch hochhackiger sein. Das sorgt für Heiterkeit, wenn der eine oder andere Offizier den Walzer etwas zu forsch links rum tanzt.
Am Tisch der Senioren, also alles über 75, wird Eierlikör gekippt und Geschichten aus der guten alten Zeit erzählt. Zum Beispiel als Onkel Willi, der Anno 1945 in einem Wutanfall gegen die Vogelstange trat, worauf der Vogel auf die Wiese segelte. Onkel Willi kann sich noch genau daran erinnern. Nur leider weiß er im Moment nicht das er Willi heißt.
Am Sonntag schließlich geht dem Schützenvolk das Geld und die Puste aus. So manches Bierchen muss finanziert werden, so manches quengelnde Kind ruhig gestellt. Die Losbude vor der Halle hat sich zu einer Teufelsmühle entpuppt, die aus kleinen Kindern den letzten Cent heraus gemahlen hat. Den Kehraus kriegen die meisten nicht mehr mit. Man schwankt auf den Schultern des Nachbarn ( der gestern noch der letzte Blöde war) selig grinsend nach Hause und resümiert angenehm umnebelt das Schützenfest. Toll war es!!! Da ist man sich einig. Hoffentlich hält nächstes Jahr das Wetter!

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